Ergebnisse der Arbeitszeitstudie

Anfang August 2016, stellten die Wissenschaftler der Universität Göttingen Dr. Frank Mußmann und Dr. Thomas Hardwig auf der Pressekonferenz der  GEW, Landesverband Niedersachsen, die Ergebnisse der Niedersächsi-schen Arbeitszeitstudie 2015/16 vor. Die GEW Niedersachsen hatte diese Studie bei der Universität Göttingen in Auftrag gegeben. Die Einträge von 2869 Lehrkräften aus 255 Schulen von Ostern 2015 bis Ostern 2016 flossen in diese Studie ein. Die Ergebnisse sind für drei Schulformen repräsentativ: Gymnasien, Grundschulen, Gesamtschulen. Die zentralen Befunde lauten: (in Durchschnittswerten)

Lehrkräfte arbeiten mehr als der Sollwert, die 40-Stunden-Woche der Verwaltungsbeamten.

  • Im Durchschnitt wird an Gymnasien 3:05 Stunden, an Grundschulen 1:20 Stunden über dem Soll gearbeitet. Allein am Gymnasium sind das etwa 50.000 unbezahlte Überstunden pro Woche bzw. ca. zwei Mio. Überstunden pro Jahr.
  • Teilzeit-Lehrkräfte leisten enorm viel unbezahlte Mehrarbeit: an Gymnasien 4:07 Stunden, an Gesamtschulen 2:31, an Grundschulen 2:00 Stunden pro Woche.
  • Vollzeitlehrkräften fehlt die Zeit für Vor- und Nachbereitung.
  • Entschieden zu wenig Zeit für außerunterrichtliche Tätigkeiten an Grundschulen
  • Fast jede fünfte Vollzeitlehrkraft an Gymnasien arbeitet über 48 Stunden pro Unterrichtswoche, an Grundschulen ist es jede sechste, an Gesamtschulen jede siebte
  • Auch bezogen auf die Gesamtheit gibt es eine hohe Arbeitsbelastung während der Unterrichtszeit: An Gymnasien und Grundschulen über 45 Stunden (45:15 Stunden bzw. 45:06 Stunden) bzw. über 43 Stunden an Gesamtschulen (43:05 Stunden).
  • Pausen und Erholzeiten während der Schulwochen sind so gut wie nicht vorhanden: zwei Drittel aller Lehrkräfte arbeiten an fast jedem Wochenende.
  • 54 Prozent arbeiten trotz Krankheit an Unterrichtstagen, auch vor der Klasse.
  • Die gesundheitsgefährdenden Belastungen für Lehrkräfte sind damit offensichtlich. Die GEW wird die Studie in Ruhe auswerten und beraten, welche Forderungen an eine neue Arbeitszeitverordnung Schule sie daraus ableitet. Für den Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Eberhard Brandt ergeben sich folgende Schlüsselfragen:

    • Wie können Vollzeitkräfte und Teilzeitkräfte genug bezahlte Zeit für die außerunterrichtlichen Tätigkeiten erhalten, die ihrem hohen Professionalitätsanspruch entsprechen?
    • Wie können Teilzeitkräfte die bisher unbezahlte nicht-teilbare Arbeit (z.B.: Klassenleitung, Konferenzen, Dienstbesprechungen) vergütet bekommen?
    • Wie kann die empirisch eindeutig ermittelte erhebliche unbezahlte Mehrarbeit der Gymnasial- und Grundschullehrkräfte abgebaut werden?
    • Wie können die eindeutig gesundheitsgefährdenden Spitzenbelastungen und fehlenden Erholzeiten aufgefangen werden? Eberhard Brandt zieht fürs Erste folgende Schlussfolgerungen:
      • Aus und vorbei ist es mit jedem Versuch, die Unterrichtsverpflichtung zu erhöhen. Die Karten für mehr Entlastungen hingegen sind neu gemischt
      • Die Unterrichtsverpflichtung muss reduziert werden, um die unbezahlte Mehrarbeit abzu- bauen und Vollzeit- und Teilzeitlehrkräften angemessene Zeiten für die Vor- und Nachberei- tung des Unterrichts zu ermöglichen
      • Für Teilzeit-Lehrkräfte muss es eine spezielle Regelung in der Arbeitszeitverordnung geben, damit die tatsächlich geleistete Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie die nicht- teilbaren Aufgaben vom Land bezahlt werden
      • Für das Auffangen von besonderen Belastungen muss es eine deutliche Anhebung der Anrechnungsstunden geben, die in den Schulen gezielt verteilt werden. Die GEW wird die Niedersächsische Arbeitszeitstudie 2015/16 und ihre Forderungen in die Arbeitszeitkommission einbringen, die das Kultusministerium im August einsetzen will. Diese Kommission soll der Landesregierung Vorschläge für eine gerichtsfeste Gestaltung der Arbeitszeit vorlegen.Ein neuer Anlauf vor Gericht? Die unbezahlte Mehrarbeit an Gymnasien, Grundschulen und Gesamtschulen, die überdurchschnittliche Beanspruchung von Teilzeit-Lehrkräften, der signifikante Anteil von Lehrkräften mit über 48 Wochenstunden – alles starke Argumente, um die Landesregierung auch vor Gericht zu Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu zwingen. Aber: Sorgfalt geht vor Eile.

    LINK zu den differenzierten Ergebnissen der Studie